Achim Biesenbach - Praxis für Psychotherapie - Hilden

Stress

Historie

Der Begriff "Stress" stammt aus dem 17. Jahrhundert und bezeichnete in der angloamerikanischen Umgangssprache negative Gefühlszustände, wie Leid, Missgeschick oder Bedrängnis.

Im 18. Jahrhundert erhielt der Begriff eine neue Bedeutung. Er beschrieb Anspannung, Anstrengung oder Druck.

1936 wurde der Begriff Stress von Selye als allgemeines Anpassungssyndrom zum medizinisch-psychologischen Fachterminus.

Definition von Stress durch Selye

Selye definiert Stress als eine unspezifische Reaktion des ganzen Organismus auf jede Anforderung. Er unterscheidet verschiedene Stressstadien:

  • Zunächst kommt es zur Alarmreaktion, die dazu dient, den Organismus auf eine Flucht- oder Kampfreaktion vorzubereiten.
  • Im Widerstandsstadium kommt es zu einer Mobilisierung aller körperlichen Abwehrmechanismen.
  • Hält der Aktivierungsstand über diese Phase hinweg an, kommt es zur Erschöpfungsphase, die durch den völligen Zusammenbruch des Anpassungsverhaltens gekennzeichnet ist.

Diese anhaltende Stressreaktion wurde von Selye mit Depression in Verbindung gebracht. Hierbei kann man kritisch anmerken, das man Stress sowohl als Reiz als auch als Reaktion verstehen kann. Das Modell berücksichtigt darüber hinaus keine individuellen Stressreaktionen.

Außerdem zeigen neuere Forschungsergebnisse, daß die organismischen Reaktionen auf Stress nicht unspezifisch sind wie Selye behauptet, sondern spezifische physiologische Reaktionen sind, die von unterschiedlichen Stressoren ausgelöst werden.

Stressmodell von Cannon

Ein weiterer Stresstheoretiker, Cannon, hat das Modell von Selye weiterentwickelt.

Während der Stressreaktion kommt es über die Aktivierung der Hypophysen Nebennierenmarkachse zu einer vermehrten Adrenalin- und Kortekoidausschüttung.
In der Kampf-/Fluchtreaktion kommt es zu gesteigerter Symphaticusaktivität.
Langfristig hat dies Herz- Kreislaufschäden zur Folge.
Die vom Stress ausgelösten Emotionen sind vorwiegend Angst und Wut.

Stressreize

Im Laufe der weiteren Forschung wurde eine Vielzahl von Stressreizen festgestellt, die hinsichtlich ihrer Lokalisation, ihrer Kategorie und ihrer artspezifischen Wirkung und Gefährdungsgrade zu unterscheiden sind. So ergaben sich

  • physikalische Reize, wie z.B. Kälte, Wärme,
  • körperliche Reize, wie die muskuläre Anstrengung etwa beim Treppensteigen,
  • mentale Reize, z.B. seelische Konflikte verarbeiten,
  • somatische Stimulationsreize, wie z.B. Schlafentzug,
  • medikamentöse Stressoren, wie z.B. Ecstasy,
  • sozial bezogene Reize, wie z.B. Leistungsversagen oder soziale Isolation,

um nur einige Beispiele zu nennen. Als formale Kriterien für Stressoren gelten: Neuigkeit, Vorhersehbarkeit, Ereignisunsicherheit und drei zeitliche Bedingungen nämlich:

  • Dauer bis zum Eintritt des Ereignisses,
  • Dauer des Ereignisses selbst
  • und die zeitliche Unsicherheit.

Ressourcen zum Schutz vor Stress

Hinsichtlich des reaktionsbezogenen Stresses interessiert man sich vor allem für Vulnerabilitätsfragen, d.h. die Frage, in wie weit dem Einzelnen spezifische Ressourcen zur Verfügung stehen, um sich vor dem Stress zu schützen.

Man unterscheidet objektive Ressourcen, wie Intelligenz, Wissen, Gesundheitsstand, finanzielle Mittel, soziale Position, spezifische Fähigkeiten, sowie subjektive Ressourcen, die als wichtiger angesehen werden: Überzeugungen der Selbstwirksamkeit, der Eigenbewältigungskompetenz, aber auch Vorstellungen, die sich z.B. auf die eigene Konflikt- oder Leistungsfähigkeit beziehen.

Stress als Informationsverarbeitungsprozess nach Lazarus

Neuere Stresstheorien, wie z.B. von Lazarus, gehen in ihrer Modellvorstellung davon aus, daß Stresswahrnehmung und Stressverarbeitung Informationsverarbeitungsprozesse darstellen, die Bewertungen, Handlungen und Gefühle nach sich ziehen.

Unter kognitiven Bewertungen, sogenannten apraisals, versteht man dabei die kontinuierliche Überprüfung von Umweltgegebenheiten daraufhin, in wie weit sie bedeutsam für das persönliche Wohlbefinden sind. Handlungen, also coping, dienen der Aufrechterhaltung bzw. dem Wiederherstellen des Wohlgefühls.

Lazarus unterscheidet drei Arten von Bewertungsprozessen:

  • Der primäre Bewertungsprozess dient der Einschätzung der Bedeutung eines Reizes für das Wohlergehen des Individuums, z.B. ist die Situation wichtig?
  • Im sekundären Bewertungsprozess wird nach den dem Individuum zur Verfügung stehenden Bewältigungsmöglichkeiten gesucht, sofern im Primärbewertungsprozess ein Stress erkannt wurde.
  • Anschließend kommt es zur Neueinschätzung der Situation einschließlich ihrer Bewältigungsmöglichkeiten (der dritte Bewältigungsprozess).

Lazarus unterscheidet zwei Arten der Stressbewältigung:

  1. das problemorientierte coping. Darunter versteht man, daß das Individuum versucht, durch Informationssuche direkte Handlungen oder auch durch Unterlassen von Handlungen Problemsituationen zu überwinden oder sich den Gegebenheiten anzupassen. Die Bewältigungsstrategie bezieht sich hier auf die Ebene der Situation bzw. des Reizes. Davon unterschieden wird
  2. das emotionsregulierende coping oder das intrapsychische coping. Hier wird in erster Linie versucht, die durch die Situation entstandene emotionale Erregung abzubauen, ohne sich mit der Ursache auseinander zusetzen.

Weitere stresstheoretische Ansätze

Nach MacGrath ist die Nichtübereinstimmung zwischen Umweltanforderungen und den individuellen Reaktionsmöglichkeiten Grund für die Entstehung von Stress. MacGrath geht davon aus, daß ein wesentlicher Zusammenhang zwischen der Anforderungsstruktur, der Aufgabenerfüllung und dem Stress besteht. Für ihn stehen damit die situativen Bedingungen im Vordergrund.

Ein anderer wichtiger stresstheoretischer Ansatz wurde von Holms und Rahe mit der Erforschung der kritischen Lebensereignisse vorgelegt. Die Autoren gehen von der Grundannahme aus, daß die lebensverändernden Ereignisse die daraus resultierenden Anpassungserfordernisse zur Aktivierung der Stressachsen und damit zu den entsprechenden Krankheiten führen. Die krankheitsfördernde Belastung eines Individuums hängt dabei ab von der Anzahl der innerhalb eines bestimmten Zeitraums aufgetretenen Lebensereignisse.

Holmes und Rahe entwickelten für ihre Live-Event-Forschung einen Fragebogen, der aus 43 als positiv und negativ erlebten Erfahrungen besteht und die entsprechend einem Punktwert, den sogenannten Live-Change-Units (LCU), gewichtet werden. Auch hierbei handelt es sich im wesentlichen also um einen situationsspezifischen Erklärungsansatz.