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Familientherapie
Zunächst sollen zwei typische
Familienstrukturen dargestellt
werden.
Folgende Merkmale sind typisch für extrem
verstrickte Familien:
- ein starkes
Zusammengehörigkeitsgefühl
untergräbt und verhindert die Autonomie der Individuen, z.B.
die Mutter beschäftigt sich nur mit ihren Kindern
- mangelnde Differenzierung
behindert individuelles Problemlösen bei Kindern und
führt zu einer mangelnden Förderung von kognitiven
und affektiven Fähigkeiten, z.B. ein Kind wird behandelt wie
das andere, obwohl es vielleicht ganz besondere Fähigkeiten
besitzt
- die Belastung eines Einzelnen
trifft immer auch alle anderen, z.B. wenn ein Kind krank wird, dann
geht es der ganzen Familie nicht gut
- die ganze Familie reagiert streng
und extrem auch auf kleine Verhaltensabweichungen oder zaghafte
Lösungsversuche aus der Familie, z.B.
wenn ein Kind einmal einen nicht so großen Hunger hat, wird
gleich sehr besorgt reagiert, ob denn etwas nicht in Ordnung
wäre
Folgende Merkmale sind hingegen typisch für
eine extrem
gelöste Familie:
- keine Loyalität und
kein Zugehörigkeitsgefühl, z.B.
kümmert es die anderen Familienangehörigkeiten
wenig, wenn es einem Familienmitglied schlecht
geht
- die einzelnen können sich gegenseitig nicht
um Unterstützung bitten
- Abhängigkeiten werden
nicht bemerkt, häufig bestehen zwar
gefühlsmäßige Bindungen, die aber nicht
eingestanden werden
- individuelle Eigenarten werden
zwar toleriert, aber auch nicht weiter beachtet, jeder kann machen, was
er will, gute Leistungen werden nicht belohnt
- das System reagiert nicht auf Grenzverletzungen
Beurteilung der familiären Interaktion
Es werden sechs wichtige Bereiche für die
Beurteilung der familiären
Interaktion unterschieden:
- Die transaktionalen Muster des
Systems, das sind Interaktionen zwischen den Systemmitgliedern, die
sich immer wieder in gleicher oder ähnlicher Weise
wiederholen, z.B. der Mann klagt an, die Frau verteidigt sich.
- Kapazität und Flexibilität
der Interaktionsmuster
- Resonanz, d.h. kann das System
von außen angesprochen werden, kann es neue Erfahrungen
machen oder stagniert es?
- In wie weit verändert oder bestimmt der Lebenskontext
die Interaktion des Systems, z.B. Unterstützung und Belastung?
- Sind die momentanen Interaktionsformen
adäquat für die Entwicklungsstufe des Systems, z.B.
wenn Kinder in die Pubertät kommen, kommt es zu einer
Verringerung der elterlichen Kontrolle und Unterstützung?
- Erhalten die Symptome des identifizierten
Klienten die transaktionalen Muster aufrecht, z.B.
wäre das der Fall, wenn die Beschäftigung mit der
Anorexie der Tochter verhindert, daß sich die Eltern mit
ihren Schwierigkeiten auseinandersetzen, die sie miteinander haben.
Methoden zur Beurteilung der Interaktionsbereiche
Die wichtigsten Methoden der Familientherapie, um diese
Interaktionsbereiche beurteilen zu können, sind:
- Verhaltensbeobachtung während der
Therapie, dazu wird den Klienten ein großer Raum
gewährt, in dem sie ihre normalen Interaktionsformen zeigen
können, die sie normalerweise im Sinne der sozialen
Erwünschtheit natürlich zunächst einmal
verbergen, z.B. beobachtet der Therapeut einen ausbrechenden Streit,
ohne gleich einzugreifen. Wichtige Beobachtungskriterien dabei sind:
Wer spricht mit wem?, In welcher Form tut er das im Sinne der oben
beschriebenen Muster?
- Verhaltensbeobachtung während des
Rollenspiels
- Verhaltensbeobachtung in der
natürlichen Umgebung des Systems, bei der Familie
zu Hause
- Skulpturenbilder
Interaktionsmuster nach Ravich
Bezogen auf je zwei Systemmitglieder kann man nach
Ravich drei
Interaktionsmuster unterscheiden:
- Das kooperierende Interaktionsmuster.
Wichtige Merkmale sind: die Systemmitglieder sprechen mehr miteinander,
sie stimmen sich ab, zeigen Initiativen beim gemeinsamen
Problemlösen, sprechen oft gleichzeitig miteinander, geben
Kommentare zu dem, was sie tun und zu dem, was der andere tut und sagt,
sind auch zur Anerkennung in der Lage. Dem gegenüber steht
- Das konkurrierende Interaktionsmuster.
Wichtige Merkmale sind: es wird kaum miteinander kommuniziert, es
werden nur Fragen beantwortet, die Systemmitglieder haben auch zum
Therapeuten einen eher schlechten Kontakt, Probleme werden alleine
für sich gelöst. Der ständige Kampf bedeutet
meist, daß es hier ein Misstrauen und so etwas wie eine
Aggressionserwartung vorherrscht.
- Das dominant-submissive Interaktionsmuster.
Es ist durch viele Missverständnisse in der Kommunikation
gekennzeichnet. Es wird sich gegenseitig unterbrochen, bei neuen
Problemen stellt sich das Muster sehr schnell ein und das
wesentlichste, das dominante Mitglied bestimmt, wobei das submissive
Mitglied dem Folge leistet.
Interaktionsmuster nach Satir
Bezogen auf das einzelne Familienmitglied kann man nach
Satir vier
verschiedene Interaktionsmuster unterscheiden:
- Der Ankläger handelt
nach der Devise "alles, was passiert, ist deine Schuld". Alles am
anderen wird kritisiert, man kann ihm, dem Ankläger, nichts
recht machen, er ist sehr misstrauisch, hat meist nur schlechte
Kontakte und Beziehungen. Er neigt auch dazu, den Therapeuten zu
attackieren.
- Der Beschwichtiger handelt nach
der Devise "sag mir, was ich tun soll". Er tendiert dazu, eigene
Bedürfnisse und Gefühle zu unterdrücken und
zu depressiven Verstimmungen zu neigen.
- Der Intellektualisierer lebt
nach der Devise "es gibt für alles eine Erklärung".
- Der Ablenker folgt dem
Lebensmotto "mich interessiert überhaupt nicht, was du sagst".
Systemregeln in der Familientherapie
Ein weiterer Schwerpunkt in der Familientherapie ist das
Erkennen
sogenannter "Systemregeln". Damit bezeichnet man eine Vorschrift
für das Zusammenleben innerhalb eines sozialen Systems. Krause
und Eschenmeier unterscheiden fünf Kriterien für die
Beurteilung von Systemregeln:
- Wie sinnvoll ist die Regel bzw.
der Plan? Welche kurzfristigen und langfristigen Konsequenzen hat das
für die Familienmitglieder?
- Warum wird eine Regel befolgt bzw. nicht befolgt?
- Warum wird sie falsch wahrgenommen?
- Stimmt sie mit den Bedürfnissen der eigenen
Mitglieder überein?
- Welche Konsequenzen hat eine Regelverletzung?
Dabei haben die Autoren festgestellt, daß die
Regeln des
geschlossenen Familiensystems immer in Richtung Gleichheit in den
Gefühlen, Gedanken und im Verhalten gehen.
Die Regeln des offenen Systems betonen dagegen die
Einzigartigkeit und
das Wachstum des einzelnen und damit die Dynamik des Systems. Das
Wachstumskonzept besagt, daß jeder Mensch nur dann relativ
symptomfrei funktionieren kann, wenn er das Gefühl hat, sich
in einer ihm gemäßen Weise entfalten, produktiv und
kreativ sein zu können und daß es in jeder Familie
verschiedene Möglichkeiten geben muss, damit die Mitglieder
ihr Anderssein ausdrücken können, ohne daß
es dabei zu destruktiven Prozessen kommt.
Das Wachstum vollzieht sich auf zwei Ebenen: einmal auf
der Ebene der
Entwicklung des Selbstwertgefühls und zum anderen auf der
Ebene der Fähigkeit, mit anderen Beziehungen aufnehmen zu
können, die eine befriedigende Qualität haben.
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"Systemische Therapie"
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